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Beitrag vom 11.03.2004
Gegen die Wand
Anja Kesting
Fatih Akin zeichnet mit seinem mit dem goldenen Bären ausgezeichneten neuen Film ein Stück deutsch-türkischer Realität, die seine Hauptdarstellerin jetzt am eigenen Leib erfährt.
Sibel Kekilli in "Gegen die Wand" vom Vater verstoßen, erlebt derzeit das gleiche Schicksal ihrer Filmfigur. Ihr Vater stößt Morddrohungen aus, um die Ehre der Familie wiederherzustellen. So nah können Fiktion und Realität sein.
Eine junge Türkin versucht ihrem fundamentalistischen Elternhaus durch eine Scheinehe zu entfliehen. Angesichts der bundesweiten Kopftuch-Diskussion und Versuchen strenggläubiger Muslime, ihre Töchter vom Sexualkunde- und Schwimmunterricht ausschließen zu lassen, reflektiert die Geschichte eine ebenso aktuelle und brisante Thematik. Um den deutsch-türkischen Culture Clash klischeefrei und glaubwürdig auf die Leinwand zu bringen, versuchte Regisseur Fatih Akin sein Werk aus Blickwinkeln zu betragen: dem deutsch-deutschen, dem deutsch-türkischen und dem türkischen. "Ich habe mich bemüht, aus diesen drei sehr unterschiedlichen Betrachtungsweisen eine Schnittmenge zu bilden".
Dafür nimmt sie in Kauf, bei einem abgewrackten, desillusionierten Alkoholiker zu leben. Cahit Tomruk (Birol Ünel), 40, hat das Leben satt. Im Vollrausch rast er mit seinem Ford Granada gegen eine Betonmauer und überlebt. Im Krankenhaus lernt er Sibel (Sibel Kekilli) kennen, die in ihrer verzweifelten Suche nach Freiheit schon einen Selbstmordversuch hinter sich hat und ihren letzten Ausweg in einer Scheinehe mit Cahit sieht.
Er zögert, stimmt jedoch zu. Die beiden teilen sich die Wohnung, aber nicht das Leben. Langsam schleicht sich die Liebe in Cahits Welt – er verliebt sich in die lebenshungrige 20jährige, die ihre neu gewonnen Freiheit in vollen Zügen genießt und eine Affäre nach der anderen eingeht. Erst als es zu spät ist und Cahit im Affekt einen ihrer Liebhaber erschlägt, entdeckt auch Sibel, wie viel sie für ihren Ehemann enmpfindet…
AVIVA-Tipp: "Gegen die Wand" ist ein Drama über Liebe und Selbstzerstörung. Rau, gewalttätig, überwältigend. Die Ausweglosigkeit packt Akin in ungeschönte, kraftvolle Bilder. Die Charaktere sind bis in die letzte Nebenrolle wunderbar vielschichtig angelegt.
Gegen die Wand
Ein Film von Fatih Akin
mit Birol Ünel, Sibel Kekilli, Catrin Striebeck, Güven Kirac, Meltem Cumbul
Deutschland 2004,
121 Min.,
Goldener Bär für den besten Film
54. Internationale Filmfestspiele Berlin